Gedichte
Alle Texte, die auf dieser Seite veröffentlicht werden, stammen von mir, Adrian Brauneis. Die Rechte an den Texten liegen allein beim Autor.
Das Lied den bösen Menschen
Geschrieben und vorgetragen von der Hexe
Meine Damen und Herren,
lassen Sie sich von mir sagen:
Das Schwein trifft man nicht an,
dem man nicht sagen kann:
In des Kuchens größtem Stück
stecke all sein Lebensglück!
Da wird, beherrscht von zügelloser Gier,
rasch jeder Mensch zum wilden Tier.
Und jeder würde gleich zuschlagen,
füllte ihm das den Magen.
Allein, da kämen wir ja sonstwo hin,
handelte ein jedermann nach seinem Sinn!
Drum sagt man: „Mord gehört sich nicht!“
und droht mit Gottes Strafgericht.
Doch wartet Versuchung an jeder Ecke,
gleicht menschliches Begehren einer Zecke.
Will man da nicht in der Hölle enden,
muss man sich, ja, an wen denn wenden?
An einen Mittelsmann! Und das bin ich.
Für finstres Hexenwerk bezahlt man mich.
Bist du auch arm wie eine Kirchenmaus,
ich hol dir den Kredit fürs Traumhaus.
Ist der Zahlen-Hokuspokus jedoch vorbei
und eins plus eins ist plötzlich wieder zwei,
Dann wird zu einer blutrünst’gen Meute
das scheinheil’ge Pack der guten Leute!
Mich schmeißt man auf den Scheiterhaufen,
wenn man mit nichts kann nichts mehr kaufen.
Schimpft mich dabei auch noch Hundsfott!
Für wen geh ich denn aufs kirchliche Schafott?
An eurer Stelle, das merkt euch gut,
Schmor ich in eurer Hölle Glut;
Sterbe als ein armer Sündenbock
Für euren weißen Sonntagsrock!
Ich entschied mich
raus – vor die Tür zu gehen;
im Freien
im Schnee zu stehen.
Da liegt schon eine dicke Schicht
und fällt noch immer
Schnee.
Der beginnt,
bitterkalt,
mich zu begraben:
Vom Rumpf bis zum Kopf –
ich rühre mich nicht –
wächst ein Schneemann heran.
Wenn der schmelzen wird,
werde ich lange verschwunden sein.
Tod eines Träumers
So die Welt zu sehen, ist
Als schlössest du ein Fenster.
Anstatt dich aber von der Welt zu trennen,
Lässt sich durch das Fensterglas eine Welt viel
klarer sehen.
Natürlich gehört das Fenster zu einem Haus.
Und natürlich ist das Haus nicht wirklich ein
Haus, sondern ein Bewusstsein. (Jetzt bitte mit den Augen rollen.)
Und wenn du das Haus erkundest, erscheint dir
die Welt,
Je nachdem, durch welches Fenster du schaust,
Immer in einem anderen Licht.
Frühlingshaftes Licht gibt es,
Und sommerliches,
Herbstliches
Und auch Winterliches.
Siehst du die Welt in diesem Licht, ist sie grau.
Also willst du dir eine Kugel durch den Kopf
schießen
Und wünschst dir,
Dass das letzte, was dir vor Augen kommt,
Wenn die Kugel aus deiner Stirn austritt,
Dein Blut sein wird,
Dein Blut, auf die Fensterscheibe gespritzt;
Eitel darauf hoffend,
Ein wenig Farbe in das öde Gesicht der Welt
gebracht zu sehen.
Es klopft ans Fenster.
Da holt sich eine Rose
Einen wunden Kopf.
Darunter auf dem Fenster
Ein roter Blättertümpel.
Püppchen spielt
im Püppchen-Dorf
in einer Püppchen-Villa
seine Rolle
auf einer Bühne,
wenn man so will,
wo so unheimlich viel machbar ist, dass
man
Traumschlösser Wirklichkeit werden lassen kann;
eines,
kann man sich denken,
so ungeheuer fantastisch
wie das andere
und Püppchen –
hat die Schlüssel nicht,
steckt fest,
klebt,
wie eine Fliege auf Fliegenpapier,
wo man es stehen lässt
und spielt seine Rolle
im Püppchen-Dorf
in einer Püppchen-Villa
auf der Bühne fremder Träume.
Das Lehrgedicht
vom armen Hampelmann
Schaut ihn euch an, den Hampelmann,
wie der nur dümmlich Hampeln kann...
Ja, seht, wie er nicht anders kann
als blöde machen vor jedermann.
Der Hampelmann mit Strippen dran,
mit denen man ihn hampeln lassen kann?
Ja, seht, wie er nicht anders kann
als blöde machen vor jedermann.
Nicht mal hampeln kann der Hampelmann,
zöge man nicht an seinen Strippen dran!
Ja, seht, wie er nicht anders kann
als blöde machen vor jedermann.
Ach, dummer Hampelmann! Nur hampeln kann
der Hampelmann, zieht an den Strippen man...
Wir schauen uns Clowns an
Männer ebenso wie Frauen
Begraben unter Schminke
Einer dicken Kruste wie
Antiken Überresten gleich
Von einem Lavastrom
Verbacken und rasch erstarrt
Dem Müßiggang ergeben
In einem öden Zirkus jetzt
Noch mit saublödem Grinsen
Dreht sich schön alles im Kreis
Indes hinter der Larve
Das Fleisch längst verrottet ist
zukünftig vergangenheit
zu sein...
zu sein
nur einen moment
lang ganz
von sorgen nicht aufgestört
normal
in fremden Augen
ein normales kind
*
mir scheint das
ein begehren ihrer augen
eine stumme bitte
danach mehr
mehr mit den anderen
in einer welt
zu sein
Menschen gibt's schon lange nicht mehr...
Menschen gibt’s schon lange nicht mehr
Auf dieser Welt
Auf der sich
Maschinen
Ihrer Pflicht nachgehend
Nachrichten hin und herschicken
Unter der Sonne
In einer endlosen Schleife miteinander verknotet
Einander stumm mitteilend
Was mitzuteilen man ihnen aufgetragen hat
Auch jetzt noch
Wo es keine Menschen mehr gibt
Sagen sie sich immer das Gleiche
Und immerdar
Das traurigste Geschehen in Zeit und Raum
Wir haben einen Goldfisch...
Wir haben einen Goldfisch
aus Plastik,
mit einem kleinen aufziehbaren Motor
eingebaut.
Man zieht ihn auf und lässt man ihn los, beginnt seine Flosse zu schlagen.
In seinem Goldfischglas dreht er einsam seine Runden;
also segeln wir raus aufs Meer,
da ziehen wir ihn auf und setzen ihn aus.
Wie er hinabschwimmt zu seinen Artgenossen,
beobachten wir ein Verglimmen
in der Tintenschwärze des Kosmos
klebt der kleine orangefarbene Fleck
Am schmutzigen Strand;
In eine dicke Decke
Fest eingewickelt.
Auf nebelumflorter See
Tanzt ein Styroporbecher.
Große Drängelei
Auf der Shibuya Kreuzung.
Alles blickt nach vorn.
Zu Häupten der Passanten
Tanzt ein Ballon mit dem Wind.
Dermatologen
raten jetzt zu dicker Haut.
Handfeuerwaffen
kauft man in Supermärkten.
Die Presse weiß wohl nicht viel.
Lichter, rot blinkend
Sehe ich mich gespiegelt
Im Regenwasser
Verdreckt vom Abfall der Nacht
Fische ich nach Geldmünzen
Ein welker Körper.
Präsentiert am Bordsteinrand.
Visage wie ein
zerlaufenes Spiegelei;
aber Preisnachlass offeriert.
Die Sonne verblasst;
Meermädchen kriegen Falten;
und Segelschiffe
fallen in sich zusammen.
Alt gewordener Seebär.
Verstopftes Pissoir.
Geruch von Ammoniak.
Beschmierte Wände,
allerhand Unflätigkeit
und: »Lotte, ich liebe dich!«
30 Gramm Gewicht
Kleines Schokoladenhirn.
Warum haben denn
manche Menschenkinder kein
Kleines Schokoladenhirn?*
* Es sei empfohlen das Gedicht laut und weinend in einem Kaufhaus zu lesen.
Beim stillen Weiher
Nur ein Fröschlein quakt – vielleicht
Ein wenig zu laut.
Schwups, da hat ihn der Reiher
Vom Seerosenblatt gepflückt.
Sonnenuntergang.
Blutorange Silhouette
Der Elendsquartiere.
Eine Ratte sitzt und träumt
Von großen Abfallbergen.
Im Niemandsland, wo
Fabriken verfallen und
Traktoren rosten;
Wildpferde sich necken und
Wölfe den Mond anheulen.
Sehr heißer Sommer.
Halbierte Schweine hängen
in Schaufenstern aus.
Auf der Straße fließen Schweiß
und Blut vermischt in Strömen.
mit kinderaugen,
das heißt ohne zeitbegriff,
die welt zu sehen:
was immer ist was es ist
wo alles ist immer nichts
Wasser, Erde, Luft,
alle vergiftet. Also,
berichtest du mir,
schlügen Wissenschaftler vor,
die Welt in Brand zu setzen.
Das Lied von der Zeche
Das Fest war lang, das Fest war schön.
Es war ein sorgloses Beisammensein.
Jetzt ist’s soweit, beim ersten Sonnenschein,
Hört hie und da und überall man ein Gestöhn.
Man hat geschmaust, mit Saus und Braus,
verhurt, verzehrt, verzecht und viel gelacht
die ganze Zeit. Nur hat an diese nicht gedacht.
Der Morgen überrascht das wüste Haus.
Das Fest war lang, das Fest war schön.
Es war ein sorgloses Beisammensein.
Jetzt ist’s soweit, beim ersten Sonnenschein,
Hört hie und da und überall man ein Gestöhn.
»Meine Herrn, meine Damen, die Nacht,
die ist vorbei, und ich hab, nach all der Gier,
für sie, s tut mir leid, die Rechnung hier.«
Das sagt der Wirt in schwarzer Tracht.
Das Fest war lang, das Fest war schön.
Es war ein sorgloses Beisammensein.
Jetzt ist’s soweit, beim ersten Sonnenschein,
Hört hie und da und überall man ein Gestöhn.
Bei dieser hier hat das Herz versagt.
Und der da war so voll, geplatzt ist er!
Doch jener dort? Noch röchelt der…
»Jetzt ist Schluss! Mein Herr, es tagt!«
Das Fest war lang, das Fest war schön.
Es war ein sorgloses Beisammensein.
Jetzt ist’s soweit, beim ersten Sonnenschein,
Hört hie und da und überall man ein Gestöhn.
Das Lied von Jedermanns Enthauptung
Sein Haupt, es wiegt so furchtbar schwer.
Ein Adamskind, so ging auch er einstmals umher:
»Von nun an kennt er keinen Kummer mehr!«
Wie lange war's denn mittlerweile her, seit ein
so schweres Los das seine war? »So lang ist's her!«
Sein Haupt, es wiegt so furchtbar schwer.
Da nimmt er sich, ein Sakrileg, was gar nicht Sein.
Der Magen, brummend fragte der: ›Taugt's zum Verzehr?‹
Von nun an kennt er keinen Kummer mehr…
Das glaubte er. Man lädt ihn, barsch, zum Zahlen ein.
S'braucht nicht lang. »Das Urteil, bitte sehr!«
Sein Haupt, es wiegt so furchtbar schwer.
»Sollt's das am Ende schon gewesen sein?«
»Nur Mut, mein Sohn!« Das ist ein geist'ger Herr.
»Von nun an kennt er keinen Kummer mehr!«
Das Messer ist auch schon gewetzt. Die Pein
nimmt's von den Schultern weg. Der Block bleibt leer.
Sein Haupt, es wiegt so furchtbar schwer.
Von nun an kennt er keinen Kummer mehr.